Kommunalwahl 2011 – Wahl-Fragenkatalog 28. August 20115. November 2015 Anlässlich der Kommunalwahl 2011 legt das Isenhagener Kreisblatt einen Wahl-Fragenkatalog vor. Hier die Antworten des Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Kreistag Isenhagener Kreisblatt: Für das Schulsanierungsprogramm wurden per Kreistagsbeschluss Millionen eingeplant. Muss der Etat wegen der Inklusion erhöht werden? Fredegar Henze: Das kommt darauf an, wie Inklusion umgesetzt werden wird. Das Land ist für entsprechende Vorgaben zuständig, hat sie aber bisher nicht gemacht. Sollten Mehrausgaben nötig werden, werde ich mich glücklich schätzen, sie für eine Aufgabe einsetzen zu können, die die Durchsetzung der Menschenwürde an einem entscheidenden Punkt voranbringt: der Möglichkeit des Zugangs für alle Menschen zu öffentlichen Schulen. IK: Der Umbau der Sassenburg-Schule (IGS) wird teurer als erwartet. Wie kann das gegenüber dem Bürger gerechtfertigt werden? Henze: Es lagen zur Zeit der Beschlussfassung nicht alle Fakten auf dem Tisch. Kosten für die Inklusion sind z.B. seinerzeit nicht ausdrücklich diskutiert worden. Das gilt aber für alle damals zur Debatte stehenden Gebäude, d.h., auch ein Gebäude in der Stadt Gifhorn wäre aus heutiger Sicht teurer geworden. In der Sassenburg war zusätzlich nicht absehbar, dass das Gebäude der ehemaligen Grundschule abgängig sein würde. An diesem Standort entsteht nun aber insgesamt eine baulich hervorragend ausgestattete Schule für über 1000 Schüler und Schülerinnen. Die neuen Gebäude werden den Anforderungen an eine IGS ausgezeichnet gerecht, so dass ein entsprechendes pädagogisches Programm verwirklicht werden kann. Das ist die wichtigste Rechtfertigung für die hohen Ausgaben. Im Übrigen hat der Kreistag den Landkreis aufgefordert, Einsparungen zu realisieren, die nichts am pädagogischen Konzept verschlechtern. Die Kreisverwaltung meint inzwischen, so etwa 3 Mio € einsparen zu können. IK: Halten Sie eine zweite IGS im Kreis Gifhorn für nötig und finanzierbar? Henze: Nötig ist sie schon deswegen, weil Eltern sie wollen. In einer belastbaren Umfrage des Kreiselternrates hat sich das deutlich gezeigt. Darüber hinaus halte ich persönlich die IGS für die richtige Schulform für eine gemeinsame Schulzeit für alle Kinder bis zur 9. oder 10. Klasse. Teuer werden solche Schulen nur durch das Diktat der Landesregierung, dass sie neuerdings 5zügig sein müssen, wofür es überhaupt keine pädagogischen Gründe gibt. Die bisher existierenden guten Gesamtschulen sind nur 4zügig und haben u.a. mit diesem Konzept mehrfach den Deutschen Schulpreis für die beste Schule Deutschlands gewonnen (IGS Franzsches Feld Braunschweig, Robert-Bosch-IGS Hildesheim, IGS Göttingen-Geismar). Gebäude für 4zügige Schulen gibt es im Landkreis an verschiedenen Stellen (Wittingen, Gifhorn, Isenbüttel,…). Diese könnte man mit Umbaumaßnahmen anpassen an die Bedürfnisse von IGSsen, ohne damit die kommunalen Kassen zu sprengen. IK: Wie stehen Sie zu einer Kreisfusion (Gifhorn – Wolfsburg – Helmstedt)? Henze: Ich halte das für eine Idee, die lediglich im Wolfsburger und vielleicht im Helmstedter Interesse liegt, nicht aber im Gifhorner. Der LK GF wird auch zukünftig allein existieren können. Wenn man an der Kommunalgrenzen etwas ändern will, muss man nicht nach den Möglichkeiten der Kommunen, sondern nach den Vorteilen für die Menschen fragen. Auf dieser Grundlage könnte man dann beurteilen, ob neue Strukturen die Lebenswirklichkeit der Menschen besser abbilden können als die bisherigen. Dabei müsste es dann nicht automatisch um die Beibehaltung bisheriger Einheiten und Grenzen gehen. IK: Was muss bei der Planung des Projektes Regio 14+ besser gemacht werden als beim „Vorgängerprojekt“ Regio-Stadtbahn? Henze: Das Wichtigste: Man muss sich versichern, dass die Landesregierung das Projekt nicht wieder heimlich torpediert und durch z.B. die Anforderung immer neuer Gutachten am Ende verhindert. Das war der Grund für das Scheitern der bisherigen Variante. Die Planungen für die Regio-Stadtbahn hatten die ehrgeizige Realisierung eines Musterbeispiels für modernen ÖPNV im Umfeld einer Metropole und unter Einbeziehung des Umlands zum Inhalt. Dem gegenüber könnte man das Projekt 14+ eher mit „es fährt dann öfter mal ein Zug“ umschreiben. IK: Wie ist Ihre Position zur A 39? Henze: Die A 39 ist eine weitere Autobahn zuviel. Die Grünen sind nicht aus ideologischen Gründen Gegner des Projekts, sondern weil alle vorgebrachten Gründe für das Projekt weder stichhaltig noch für unsere Region tauglich sind. Die A 39 wird der Region mehr Verkehrsbelastung durch Durchgangsverkehr bringen. Das wird die Anlieger nerven, die dafür nichts bekommen: Zusätzlichen Tourismus in romantischer Heidelandschaft lockt man nicht an, indem man mitten durch eine Autobahntrasse schlägt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich zusätzliche Betriebe wegen der A39 im Kreisgebiet ansiedeln, lässt sich nicht mit Argumenten erhöhen, sondern nur durch Wünschen. Stellt man die wahnwitzigen Kosten den ungesicherten Annahmen des zu erwartenden Nutzens für unsere Region gegenüber, bleibt eigentlich nur dieses Resümee: Bevölkerung und Natur werden erheblich zusätzlich belastet. Die A7 zwischen Hamburg und Hannover wird entlastet, die B4 kaum, weil dort hausgemachter Verkehr zwischen Gifhorn und Braunschweig die wesentliche Belastung ausmacht. Die Bewohner des Nordkreises kommen vielleicht ein wenig schneller aus der Region weg. Ich finde, das reicht nicht, um soviel Steuergelder auszugeben. IK: Wie stehen Sie zum Ausbau regenerativer Energien? Henze:Der massive Ausbau regenerativer Energien ist auf der politischen Ebene eine Erfindung der GRÜNEN. Wir setzen uns nach dem beschlossenen Atomausstieg auch auf der kommunalen Ebene dafür ein, alle Möglichkeiten zur Nutzung regenerativer Energien zu realisieren. Unser Ziel ist eine weitgehend dezentrale Energieversorgung in der Region. In der Gemeinde Vordorf im südlichen LK GF wird z.B. schon jetzt mehr Strom produziert als verbraucht wird. Darüber hinaus müssen wir in den ländlichen Gebieten noch erheblich mehr Windenergie produzieren, denn die großen Städte ringsum werden kaum genug eigenen Strom aus regenerativen Quellen produzieren können. Das werden wir für sie mit übernehmen müssen. Gemeinden sollten alle Chancen zu eigener Energieproduktion im Kleinen möglich machen, die sich ökologisch vertreten lassen. Hier liegt noch ein riesiges Potential brach, dass sich nutzen lässt. Mit Hilfe moderner, intelligenter Technologie lassen sich Sonne, Wasserkraft, Schwachholz, vereinzelt auch Biomasse zusätzlich in die Strom- und Wärmeproduktion einbinden und zudem eine neue Energieeffizienz erreichen. So kann ein dezentrales Versorgungsnetz entstehen, dass die Region weitgehend unabhängig von großen Energiekonzernen und ihren Finanzinteressen macht. IK: Wie wollen Sie den demografischen Wandel gestalten? Henze: Zunächst braucht es eine ernsthafte Bestandsaufnahme, was denn demografischer Wandel in diesem Landkreis eigentlich bedeutet. Dann müssen der Kreis und seine Gemeinden dafür sorgen, dass eine an die Bedürfnisse der sich wandelnden Gesellschaft angepasste Infrastruktur mitwächst. Zur Zeit beobachten wir aber einen Rückgang des öffentlichen Lebens: Vereine finden weniger Menschen, die sich in ihnen engagieren wollen, Gaststätten in den Dörfern gibt es immer weniger und gleichzeitig ist auch der Ausbau des schnellen Internets nicht überall vorangekommen. Das bedeutet in der Summe für Menschen, die nicht mehr in berufliche Zusammenhänge eingebunden sind, dass ihre Kommunikationsmöglichkeiten mit anderen oft stark eingeschränkt sind. Die Einrichtung von Mehrgenerationenhäusern können hier eine Möglichkeit zum Gegensteuern sein. Zum anderen wird der Landkreis sich des Problems einer flächendeckenden Versorgung mit Medizinern annehmen müssen. Schließlich bedeutet es gerade für den Nordkreis Antworten zu finden, wie junge Leute in der Region gehalten werden können. IK: Was wollen Sie bei der Kommunalwahl erreichen? Henze: Wir wollen eine neue, offene Politik unter Beteiligung von mehr Menschen im Kreistag und in der Verwaltung etablieren. Die seit Ewigkeiten an Mehrheiten gewöhnte CDU hat Strukturen geschaffen, in denen einige Wenige fast alle Weichen stellen und in dieser bisher als gesichert geltenden Position das Gefühl für notwendige Veränderungen verlieren. Das wollen wir ändern. Wir wollen ihnen diese Strukturen wegnehmen und statt dessen eine emanzipatorische Politik etablieren. Dazu braucht es viel mehr Transparenz, mehr Beteiligung und Öffentlichkeit und mehr Selbstbestimmung der Bevölkerung durch andere Beteiligungsverfahren an Entscheidungen. Wir wollen, dass auf die neuen Herausforderungen wie z. B. Energiewende, alternde Gesellschaft, Klimawandel, Bildungspolitik vorausschauend, zeitnah und nachhaltig reagiert wird. Dazu braucht es deutlich mehr Grüne im Kreistag.