Fredegar Henze übernimmt CDU-Kreistagsfraktion

 

Der Fraktionsgeschäftsführer Uwe Schiller schrieb am 1. April eine interne E-Mail an die grünen Kreistagsabgeordneten: „Liebe Leute, wie mir Fredegar soeben mitteilte, wird er unsere Partei verlassen und zur CDU übertreten. Der CDU-Kreisvorstand habe ihm für die neue Wahlperiode einen sicheren Listenplatz zugesagt und die Führung der neuen CDU-Kreistagsfraktion angetragen. Fredegar wörtlich: „Ich wollte schon immer eine große Fraktion führen.“ Er bittet, von Anfragen zu diesem Thema abzusehen. Seine derzeitige Aufgabe wird er aber noch pflichtgemäß zu Ende bringen.“ Er wollte sie in den April zu schicken.

Der Fraktionsvorsitzende Fredegar Henze nahm das zum Anlass, etwas ausführlicher zu werden: “ Liebe Leute, in der Tat: Ich habe mich entschieden, die CDU zu übernehmen. Zugegeben, auf die Idee hat Uwe mich gebracht. Aber er hat recht. Wer wahrhaft etwas bewegen will, muss die CDU übernehmen. Wie alle vergangenen Führungsgrößen der aus unerfindlichen Gründen immernoch „Union“ genannten Partei habe auch ich gemerkt, dass es sich beim Fraktionsvorsitz der CDU um etwas völlig Anderes handelt als bei dem gleichen Job bei den Grünen. Wer sich wahrhaft nach oben bewegen will, muss sich leidiger demokratischer Verfahren in sperrigen Fraktionen entledigen und seine persönliche Größe dadurch zum Tragen bringen, dass er nicht einfach Fraktionsvorsitzender wird, sondern die Fraktion „übernimmt“. Ihr versteht, dass nach dieser Erkenntnis das mit euch keine Perspektive hatte.
Nach dem Vollzug dieses Wandels ergibt sich nämlich auch eine neue Rolle der Fraktion. Für sie wird vieles leichter – und, mit Verlaub, ihr tut euch mit vielen Dingen immer so schwer, so ernsthaft-grundsätzlich, dass „leichter“ nach meiner Erfahrung für euch keine Eigenschaft ist, die euch erstrebenswert scheinen kann.
Ganz anders meine neue Fraktion. Sie braucht sich um Sachverhalte nicht mehr zu kümmern – das macht der Vorsitzende. Die Abgeordneten haben lediglich vollzählig im Kreistag zu erscheinen und zu schauen, welches Abstimmungsverhalten der Vorsitzende vorgibt. Dann gilt: Die Augen rechts und kurz den Nachbarn wecken, damit der auch richtig abstimmt – und schon sind wieder 40 Euro Sitzungsgeld verdient.
Bei einem Geheimtreffen mit der CDU-Fraktion ohne ihren Noch-Vorsitzenden habe ich der sogenannten Union unter Verweis auf die erkennbaren Auflösungserscheinungen in den eigenen Reihen – wer erinnert sich da nicht an den letzten Kreistag – vorgeschlagen, ihnen wieder echte Führung im beschriebenen Sinne zu verschaffen. Als Beispiel, wie das funktionieren kann, habe ich ihnen versprochen, in Sachen Ausschreibung Müllabfuhr die Ergebnisse des missratenen Kreistags in der Öffentlichkeit umzudeuten – sozusagen mein Gesellenstück. Das Ergebnis seht ihr heute in der Gifhorner Rundschau: Der LK habe beschlossen, schreibt Christian Franz da brav im Sinne meiner neuen Fraktion, dass alles beim Alten, also bei Remondis bleibe. Kein Wort vom Kreistagsbeschluss mehr, dass die Kreisverwaltung beauftragt wurde, diese völlig unrealistische Rekommunalisierung einzuleiten, die ich als euer damaliger Fraktionsvorsitzender zwangsweise vertreten musste. Auch die Müllgebühren steigen nicht an, weil in der Vergangenheit schonmal heimlich welche angespart wurden, so dass jetzt nur noch der Kreistag entsprechend (unter meiner Führung!) beschließen darf.
Wie ich das gemacht hab? Nun ja, die Aussage des Landrates im Artikel war ein Selbstläufer. Der kann sich ohnehin nichts von hier bis gleich merken, abgesehen davon, dass seine Fachleute hinter vorgehaltener Hand ausgeplaudert haben, dass er auch bei diesem Thema mal wieder von Kompost bis Sperrmüll keine Ahnung hatte. So war klar: Wenn man Christian Franz anfragen lässt, was denn mit der Rekommunalisierung in der nichtöffentlichen Sitzung des Kreistages gelaufen sei, würde der Landrat auf jeden Fall seinen Standardsatz verlauten lassen: „Ich, König Andreas, Baron von Löwenzahn“ (sein neuer adaptierter Beiname, seit er an einer Stelle, wo nur Löwenzahn wächst, einen Rosengarten anlegen lassen will) „ich – allein – habe alles richtig gemacht.“ Dafür hat Christian Franz schon einen Standard-Textbaustein im Rechner, weil er natürlich wie alle halbwegs Intelligenten gemerkt hat, dass die Aussage zwar nicht stimmt, aber in unserem Sinne politisch opportun ist.
Das Treffen mit Christian Franz war übrigens am Ende in der Summe sehr zufriedenstellend. Wir haben als Gemeinsamkeit festgehalten, dass es auf Inhalte eigentlich nicht ankommt, sondern darauf, recht zu haben (nicht: Recht). Jetzt habe ich auch seine Kommentare zur Ausschussneubesetzung endlich richtig verstanden – Verfassung und lästige Demokratie hin und her.
Für die Zukunft haben wir eine produktive Zusammenarbeit verabredet, Franz kennt sich mit sowas schon spätestens seit seiner Zeit im Papenteich aus, wo er seinerzeit bei Ingrid Richter auf dem Schoß saß, als die dort noch CDU-Fraktionsvorsitzende war. Wichtig ist uns, dass wir als Machtinhaber selbige Position auf jeden Fall und auf jede Art verteidigen. Passt dazu eine von uns in der Vergangenheit oder im Grundsatz vertretene Ansicht – um so besser, wenn nicht – auch egal.
Hauptsache aber ist, dass wir in der Öffentlichkeit häufig, sehr viel häufiger als die anderen auf jeden Fall, und positiv vorkommen. Als gelungenes Beispiel sogar in schwierigen Angelegenheiten diesen Grundsatz zu verfolgen, hat Franz etwas verlegen, aber stolz auf seinen Kommentar zu Ebels „Jagdunfall“ verwiesen: König Andreas mit „er-ist-doch-auch-nur-ein-Mensch-Attitüde“! Über diese gelungene Wendung des peinlichen Zwischenfalls konnten wir gemeinsam so richtig lachen.
Wir wollen auch noch darüber sprechen, welchen verlässlichen Textbaustein Christian Franz von mir in seinem Rechner speichert.
Schließlich haben wir noch sehr grundsätzliche Probleme besprochen, nämlich den Fraktionsnamen. Ich gab zu bedenken, jemand könne sich daran stoßen, dass das „C“ nicht mehr stimme, weil ich doch Atheist bin. Zudem sei ja auch Schluss mit „D“ (siehe oben). Und eine „Union“ ist eigentlich ein Zusammenschluss aktiv Handelnder, davon könne man doch bei der CDU-Kreistagsfraktion nicht sprechen. Christian konnte mich zunächst beruhigen. Unter Verweis auf ein Lied des Kabarettisten Hans Scheibner zitierte er: „Das macht doch nichts, das merkt doch keiner“. (Ich war ein wenig verwundert, dass er ausgerechnet einen der SPD nahestehenden Künstler zitierte). Aber dann fand ich das zuerst doch glaubhaft.
Jetzt, auf dem Heimweg, wo ich in Ruhe über alles noch einmal nachdenken kann, kommen mir Bedenken: Wenn da kein „C“ mehr ist, auch kein „D“ mehr, und schließlich auch kein „U“ mehr, was ist denn dann noch da? Da ist doch dann gar nichts mehr…
Ich muss das hier beenden. Muss dringend noch mal mit Christian sprechen…..

Mit (äh, wie sagt man:) christlichem (?) Gruß,
Fredegar Henze, Führer der größten Fraktion (Arbeitstitel)
1. April 2016