Straßenausbaubeiträge

Rede im Rat der Stadt Gifhorn 16.04.2020 Rüdiger Wockenfuß


Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender, sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr gehrte Damen und Herren des Rates, sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,


Am 24.1. 2020 erfuhren die Ratsmitglieder und die Bevölkerung aus der Presse, dass die Verwaltung nach einem Rechenfehler in der Vorlage zur Beibehaltung der Straßenausbaubeiträge (Fachausschuss am 7.1.20 unter großer Beteiligung der Bevölkerung) nunmehr deren Abschaffung befürwortet.

Die Verwaltung schlägt eine Grundsteuererhöhung zur Kompensation der entstehenden Einnahmeverluste auf 515 %, also um ca. 25 Prozent vor.

Das Recht zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen (Strabs) gehört nach dem Willen der Niedersächsischen Landesregierung zur Verfassungsgarantie des Art 28 Abs.2 GG, in dem das Selbstverwaltungsrechts der Kommunen geregelt ist. Somit liegen die Erhebung der Strabs im ausschließlichen Hoheitsbereich der Stadt Gifhorn.


Nach dem Erfolg der örtlichen Bürgerinitiative werden wir heute die Abschaffung der Strabs auch formell im Rat beschließen und ich kündige für die Fraktion der Grünen an, dass wir einer Erhöhung der Grundsteuer zur Finanzierung des Straßenausbaus nicht zustimmen werden.

Dies gilt zum Einen, als der Rat erst im Januar einer Grundsteuererhöhung wegen extrem steigender Bildungskosten (Kita) eine Absage erteilt hat und es darum gehen muss, Bürgerinnen und Bürger, die erst vor Kurzem Ausbaubeiträge entrichtet haben, nicht doppelt mit Abgaben zu belasten.

Die fehlenden Einnahmen werden durch Einsparungen oder eine höhere Kreditaufnahme zu kompensieren sein. Eine Grundsteuererhöhung, wie aktuell von der SPD gefordert, verbietet sich gerade in der Coronakrise, da jetzt etliche Bürgerinnen und Bürger mit Einnahmeverlusten versuchen müssen, klar zu kommen.

Nachdem eine Mehrheit der Ratsfraktionen erklärt hatte, für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zu stimmen, konzentriert sich die Diskussion um die die Frage einer möglicherweise rückwirkenden Abschaffung. Sicher hatten auch Bürgerinnen und Bürger der Bürgerinitiative ihre Unterschrift in der Hoffnung gegeben, ihre auf
Grund einer Beitragspflicht geleisteten Zahlungen zurück zu erhalten. Diese Bürgerinnen und Bürger müssen wir leider enttäuschen.

Die Rechtslage ist hier durch die Kanzlei Appelhagen, die im Auftrag der Stadt Gifhorn Rechtsfragen für die von Verwaltung und Rat zu entscheidenden Sachverhalte rechtlich würdigt, geklärt. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass der zu entscheidende Sachverhalt sich mit der konkreten Situation in Gifhorn befasste und nicht mit einer allgemein formulierten Frage, ob eine rückwirkende Aufhebung von Straßenausbaubeitragssatzungen generell zulässig sein könnte.

Ich zitiere aus der rechtlichen Würdigung der Kanzlei Appelhagen vom 3.März 2020:


Satzungen können nur durch Satzungen aufgehoben werden. Dabei können Satzungen nur innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen rückwirkend erlassen werden (§2 Abs. 2 des Nds. Kommunalabgabengesetzes (NKAG). Dabei darf die Rückwirkung nicht in abgeschlossene Sachverhalte eingreifen. Das würde eine Satzung tun, wenn im rückwirkenden Zeitraum einer Aufhebungssatzung schon Beitragspflichten entstanden sind. Das wäre der Fall einer ver-fassungsrechtlich nicht zulässigen echten Rückwirkung.“ (Zitat Ende )


Fraglich ist nun, wann die Beitragspflicht für Straßenausbaubeiträge entsteht. Dies ist der Fall, wenn die Straßenbaumaßnahme baulich abgeschlossen ist und die letzten Schlussrechnungen der ausführenden Unternehmen bei der Stadt Gifhorn eingegangen sind, also nicht erst, wenn die Stadt die endgültigen Beitragsbescheide erlässt.

Für die Baumaßnahme „Laubberg/Wasserturm“ ist damit die Beitragspflicht am 19.3.2020 entstanden und eine rückwirkende Aufhebung der Beitragspflicht verfassungsrechtlich nicht mehr zulässig.

Aus einer weiteren Stellungnahme der Kanzlei Appelhagen zur rückwirkenden Aufhebung der Satzung zitiere ich wie folgt:

„Eine rückwirkende Aufhebung der Satzung würde zum einen gegen Art. 3 GG verstoßen. Grundstückseigentümer, die von dem Wegfall bereits entstandener Beitragspflichten profitieren, würden gegenüber anderen Grundstückseigentümern, die nicht vom Rückwirkungszeitraum erfasst würden, ohne sachlichen Grund begünstigt.“ (Zitat Ende)

Als ohne sachlichen Grund sind hier aus unserer Sicht beispielsweise Begründungen anderer Fraktionen wie “ der Rat wollte bereits im Dezember eine Abschaffung beschließen“ oder „wir als Fraktion haben bereits eine Abschaffung zum 1.1. 2019 durchsetzen wollen“ anzusehen. Nach unserer Auffassung ist es gut, dass unsere Verfassung ein solches Willkürverbot vorsieht und unsere heutige Entscheidung unter das Gebot der Rechtsstaatlichkeit zwingt. Dies gilt auch, wenn wir mit unserer Entscheidung Bürgerinnen und Bürger, die in der letzten Zeit mit den Wünschen nach Gleichbehandlung an uns herangetreten sind, bedauerlicherweise enttäuschen müssen.

Nicht unerwähnt lassen will ich, dass das Niedersächsische Innenministerium in seiner Stellungnahme zu der Straßenausbaubeitragssatzung in Gifhorn und einer möglichen Rückwirkung zu einer inhaltlich gleichen Auffassung gelangt wie die
Kanzlei Appelhagen. Wir werden daher einer Aufhebung der bestehenden Beitragssatzung mit Wirkung für die Zukunft (Veröffentlichung im Verordnungsblatt) zustimmen.