Bürgerfragestunde 7. September 20205. September 2020 Rede Klaus Rautenbach im Kreistag am 26. August 2020 zum Antrag der Megako 1. § 18 der Geschäftsordnung des Landkreises Gifhorn vom 09.11.2016 wird ersatzlos gestrichen. (Bürgerfragestunde) 2. In § 19 der Geschäftsordnung werden die Worte „und 18“ gestrichen. Wir Grüne haben heute auf unseren running gag – Erweiterung der Tagesordnung um den Punkt „Bürgerfragestunde im Rahmen der gültigen Geschäftsordnung“ nicht gestellt, angesichts des Geschäftsordnungsantrages der Megako macht das auch wenig Sinn. Auf den Änderungsantrag der AfD werde ich nur kurz eingehen, mehr lohnt sich auch nicht. Sicherlich werden wir nicht einem Antrag zustimmen, der bedeutet, dass wir mit AfD einen gemeinsamen Antrag stellen müssen, um eine Bürgerfragestunde zu bekommen – ums Verrecken nicht. Eingehen will ich aber auf die Begründung, die wie üblich unter der Gürtellinie und beleidigend ist. Um einen Aspekt geht es mir aber besonders: Da wird die „Familie Wockenfuß“ als Bremser genannt. Es geht hier um zwei Stadtrats- und Kreistagsmitglieder, die miteinander verheiratet sind. Zur Familie – dass sollte gerade der AfD bewusst sein – gehört dann mehr, nämlich zum Beispiel Kinder und Enkelkinder. Dass aber die Familie hier genannt wird, hat etwas mit Sippenhaft zu tun. Und das gab es schon einmal vor ungefähr 80 Jahren und man sieht hier wieder etwas, was mittlerweile wissenschaftliche Untersuchungen darstellen: die Nähe der damaligen NSDAP zur heutigen AfD. Jetzt aber zum Antrag der Megako, ja, jetzt liegt er fristgerecht auf dem Tisch: Die Riesen-Mehrheit in diesem Hause will nicht, dass Bürgerinnen und Bürger in diesem hohen Hause Fragen stellen können. Das war bislang ja schon nicht einfach, die Geschäftsordnung war so schwach, dass Landrat und Kreistagsvorsitzender entscheiden konnten, ob sie eine solche Fragestunde haben möchten oder nicht, wir kennen beide lange genug und wissen, dass beide eher hierarchischen Mustern verfangen sind und die Beteiligung von Bürger*innen nicht unbedingt als sinnvoll erkennen. Gut, das muss ja nicht für den Kreistag in seiner Mehrheit gelten, deshalb haben wir Grüne mehrfach versucht, die Tagesordnung zu erweitern und Bürger*innenfragen zuzulassen. Aber die Mehrheit denkt auch so wie der Landrat und der Kreistagsvorsitzende, was dann schon ein wenig verwundert. Nicht bei der CDU, da sie sozusagen die Fangroup des Schlossherren ist. Aber Freie Demokraten und Sozialdemokraten??? Nun stellt ja die Megako keinen Antrag ohne Begründung und mag sie noch so schwach sein. Also: nach einem stundenlangen Kreistag ist angeblich kein Platz mehr für eine Bürgerfragestunde – OK – warum stellt Ihr nicht einen Antrag, dass eine Bürgerfragestunde am Anfang der Kreistagssitzung stattfindet? Das Problem wäre also lösbar. Zweites Argument: Bürgerfragestunden gehören in Fachausschüsse und nicht in den Kreistag. Kann man so sehen, muss man aber nicht. Man sieht es – und jetzt wird es interessant – vor allem im Kreis Gifhorn so. Man hat also hier das Ei des Schlossherren gefunden – während andere Gebietseinheiten noch unwissend in ihrer Geschäftsordnung Bürgerfragestunden verankert haben. Wer die anderen sind – es sind nicht unbedingt nur kleine Gemeinden. Schauen wir uns mal drei Beispiele an. Stadt Braunschweig, 54 Ratsmitglieder, „Während des öffentlichen Teils der Ratssitzung findet gegen 18.00 Uhr eine Einwohner-fragestunde statt. Die Fragestunde wird von der/dem Ratsvorsitzenden geleitet. Sie soll eine halbe Stunde nicht überschreiten.“ Gut, sagt Ihr jetzt, das ist ja auch eine Stadt, das kann man mit dem Landkreis Gifhorn nicht vergleichen. Aber: Landkreis Wolfenbüttel, 46 Ratsmitglieder, es gibt je eine Bürgerfragestunde vor und nach der Behandlung der Sachthemen Gut, da sagt jetzt die CDU, da gibt es ja auch eine SPD-Landrätin – die ticken halt ein wenig anders Also dritter Versuch: Landkreis Celle, 58 Kreistagsmitglieder, stark in CDU – Hand, aber auch da je eine Bürgerfragestunde vor nach den Sachthemen. Und jetzt kommt Ihr mit einem Antrag, der das bisschen Bürgerbeteiligung im Kreistag komplett im Keim erstickt? Wie soll das bewertet werden: Ist das jetzt einfach Borniertheit und Arroganz der Macht?Fehlt jetzt das D in den Namen Eurer Parteien mittlerweile auch, ich dachte immer, das steht für Demokratie!Was treibt Euch dazu, ein Jahr vor der Kommunalwahl einen solchen Beschluss durchzusetzen?Nicht, dass ich das schlecht finde – es ist gut, wenn man in einer solch wichtigen Frage kurz vor der Kommunalwahl so viel Offenheit zeigt – für politische Weisheit spricht das nicht, aber wir Grüne bedanken uns für diese Steilvorlage.